Jugendliche mit vollbepackten Taschen, Koffern und Rucksäcken strömten am 01.06.23 auf den Schulhof der Mathilde-Anneke-Gesamtschule. Eine Woche sollte es nun raus aus Münster, raus aus dem eigenen Zuhause und vor allem raus aus der Komfortzone gehen. Die SchülerInnen sollten sich im Vorfeld eine eigene Herausforderung überlegen, die sie innerhalb einer Woche meistern wollen. Wohin es geht, hatten sich die einen im Vorhinein gut, die anderen eher spontan überlegt. Mit einem roten Teppich, lauter Musik und vielen applaudierenden SchülerInnen und Eltern wurden die Jugendlichen auf ihre ganz persönliche Herausforderung geschickt.
Mitten unter den hunderten Menschen auf diesem Schulhof stand ich nun auch. Gepackt mit zwei schweren Satteltaschen an meinem Fahrrad. Im Vorhinein hat mir meine Gruppe (die sich im Übrigen „die flotten Karotten“ genannt hat) gesagt, dass sie gerne mit dem Fahrrad nach Hamburg fahren wollen. Nach einer kleinen Verabschiedungszeremonie sind wir dann auch schon losgefahren. Am Kanal entlang an wunderschönen Kornblumen und Mohn ließen sich die 40 Kilometer die noch vor uns lagen ziemlich gut vergessen. Doch mit vollbepackten Hollandfahrrädern und einem Hänger, der so schwer war, wie wir alle zusammen, fährt es sich nun mal nicht so schnell einen Berg hoch. Nach vielen Pausen und Frustration kamen wir dann nach sechs Stunden an unserem Zielort, einem Reiterhof in Hasbergen, an. Ich hatte natürlich in weiser Voraussicht noch nie das Zelt aufgebaut, welches ich mir für den einwöchigen Trip ausgeliehen hatte. Nur mit geballter Kraft schafften wir es, dass jedes der drei Zelte am Abend stand. Bei den nächsten Übernachtungen bei einem Campingplatz in Groß Ringmar und auf einer Wiese in Tostedt bekamen wir allerdings eine Routine beim Zeltaufbau. Ich glaube nicht nur für die vier Mädchen, sondern auch für mich ist das Projekt eine Herausforderung gewesen. Das Übernachten in einem Zelt hatte ich mir deutlich komfortabler ausgemalt und, dass ich in den ersten drei Nächten nur insgesamt fünf Stunden geschlafen habe, hätte ich mir auch (Achtung Wortspiel) nicht träumen lassen. Nach der zweiten Nacht war bei allen Mädchen die Luft auf. Verständlicherweise. Das erste Mal alleine Zelten und am Tag 40 Kilometer mit viel Gepäck fahren, kann überfordernd sein. Also haben wir, spontan wie wir waren, unsere Route noch einmal neu geplant. „Wir wollen nicht mehr draußen schlafen“ war wahrscheinlich das größte Problem. Nachdem ich jedes Hostel, Hotel und jede Jugendherberge in Hamburg einmal angerufen hatte war ich mir sicher: in Hamburg müssen wir wohl oder übel erneut draußen übernachten. Doch nach ein bisschen Überlegung kam mir der Gedanke nahe einfach den CVJM in Hamburg anzurufen, ob wir uns dort in einem Raum einquartieren könnten. Die Nummer war gewählt und ein netter Mann am Aperat vom CVJM Oberalster erteilte uns eine Zusage. Abwechselnd mit Zug und Fahrrad fuhren wir also zum JULE und hatten das erste Mal seit Tagen laufendes Trinkwasser, eine Überdachung und einen Herd. Gestärkt konnten wir somit am nächsten Tag zu der anderen Unterkunft in Hamburg fahren. Nach einer Partie Minigolf sind wir alle auf das Dach des Hostels gegangen, von wo man auf der Dachterasse den wunderschönen Sonnenuntergang über Hamburgs Dächern bestaunen konnte. Weiter ging es am nächsten Tag nach Osnabrück, wo wir schon freudestrahlend von der Oma eines Mädchens aus meiner Gruppe empfangen wurden. Bei Hotel Oma gab es selbstgemachten Kuchen und minütlich die Frage, ob wir auch wirklich satt seien. Der nächste und letzte Tag bannte sich an und nun hieß es nur noch einmal Zelte zusammen bauen, Isomatten einrollen und nur noch einmal alle fünf Fahrräder in den Zug befördern. Begrüßt wurden wir am Dienstagmittag erneut mit einem roten Teppich und vielen glücklichen, aber auch erschöpften Gesichtern.
Rückblickend muss ich etwas über das „flott“ in unserem Gruppennamen „die flotten Karotten“ schmunzeln, bin dennoch total begeistert von der tollen Erfahrung, die ich miterleben durfte. Und eins ist mir auf jeden Fall nochmal sehr deutlich klar geworden: aus Herausforderungen und Scheitern wächst man.
Lina Hase
Das Herausforderungsprojekt ist ein eigenständiges, schülerzentriertes Projekt. Schülerinnen und Schüler des 8. Jahrgangs der Mathilde Anneke Gesamtschule planen und führen ihre eigene siebentägige Herausforderungstour in kleinen Gruppen (4-8 SuS). Sie planen selbständig ihre eigene Herausforderungstour und welche Art von Tour sie machen möchten (u.a. Wandern, Radfahren, Skateboardfahren; oder eine Radtour nach Enschede (Niederlande). Durch ihr selbstorganisiertes Planen und Lernen verbessern sie sich selbst, lernen ihre eigenen Grenzen kennen, übernehmen Verantwortung und setzen ihre eigenen Ziele und testen sich selbst, ob sie die Herausforderung bestehen (vgl. Deci & Ryan 2017). Ziel des Projekts ist es, die persönliche Entwicklung der Jugendlichen zu fördern, um ihr Selbstverständnis (soziales, emotionales, psychisches und allgemeines Selbstverständnis), ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, Lebenserfahrungen zu sammeln Orientierung.